Die „erlebte“ Geschichte des Deutschen Staatstheaters

Die „dunkle“ Geschichte des Deutschen Staatstheaters Temeswar soll nicht vergessen werden.
Forschungsarbeit stützt sich auf Zeitzeugeninterviews
Von Raluca Nelepcu
 
Die Geschichte des Deutschen Staatstheaters Temeswar/Timisoara (DSTT) soll nicht in Vergessenheit geraten. Darum bemüht sich zur Zeit ein Team von Temeswarer Theaterfreunden. Das Projekt, das auf Anregung der Dozentin Eleonora Ringler-Pascu vom Institut für Schauspielkunst der West-Universität ins Leben gerufen wurde, dokumentiert die „erlebte“ Geschichte des Deutschen Staatstheaters. Menschen, die nach 1948 am DSTT tätig gewesen sind, werden interviewt, wobei nach der akribischen Forschungsarbeit eine Sendereihe bei Radio Temeswar, eine CD und ein Buch entstehen sollen.
Die Idee zu diesem Projekt hatte Eleonora Ringler-Pascu, die Leiterin des Instituts für Schauspielkunst in Temeswar. Sie kam darauf, nachdem sie dem rumäniendeutschen Schriftsteller Johann Lippet, der aus dem Buch „Das Leben einer Akte“ las, zuhörte. Dabei ging es unter anderen um seine Zeit als Dramaturg am Deutschen Staatstheater, um Spitzel und um die Securitate. Das ließ die Dozentin an das DSTT vor der Wende denken, denn auch diese Einrichtung wurde von den Mechanismen der Diktaturzeit nicht verschont. In diesem Jahr gab Eleonora Ringler-Pascu den Sammelband Kurzdrama-Minidrama – eine Landespremiere für dieses Genre – heraus. Eine begleitende CD wurde mit Unterstützung von Astrid Weisz, der Leiterin der deutschen Sendung von Radio Temeswar, erarbeitet. Aus dieser erfolgreichen Zusammenarbeit kristallisierte sich der Vorschlag einer gemeinsamen Forschungsarbeit über die Geschichte des DSTT, die auf Zeitzeugengespräche und Dokumente basieren sollte. Die meisten ehemaligen Mitglieder des DSTT-Ensembles sind während der Diktaturzeit wegen deren Druckmaßnahmen nach Deutschland oder Österreich ausgewandert. Eine Dokumentation, die auch das Leben dieser Menschen in Betracht ziehen sollte, gab es bisher nicht.
„Das Projekt ist für die Leute, die das Deutsche Staatstheater kennen und lieben, wichtig, aber auch Historiker und Theaterforscher sowie für alle Mitarbeiter, die am DSTT tätig waren oder tätig sind“, sagt Eleonora Ringler-Pascu. Für sie ist diese Erfahrung eine tiefgehende: „Ich lerne Schauspieler kennen, die ich als Kind oder Studentin bewundert habe, es öffnet sich eine völlig neue Welt. Es ist auch der Austausch der Generationen, der dadurch zum Ausdruck kommt“.
Die Leitung des Deutschen Staatstheaters zeigte sich begeistert über die Initiative von Eleonora Ringler-Pascu und Astrid Weisz. Zu dem Team, das sich mit der Recherche beschäftigt, gehören Adriana Talpos, Leiterin der DSTT-Marketingabteilung, Mihai Moldoveanu, der für Pressearbeit am DSTT zuständig ist, und Robert Tari, Pausenradio-Koordinator und Mitarbeiter von Radio Temeswar. Bisher unternahmen Astrid Weisz und Eleonora Ringler-Pascu Reisen nach Deutschland und Österreich, um ehemalige Mitarbeiter des DSTT zu interviewen. Es leben noch einige der Gründungsmitglieder, die meisten über 80 Jahre alt, die wertvolle Informationen über die Anfangsjahre des Theaters preisgeben können.
Etwa 50-60 Zeitzeugen aus dem deutschsprachigen Ausland sollen im Rahmen des Projekts interviewt werden, hinzu kommen etwa 30 Personen, die in Rumänien leben. Adriana Talpos half dem Rechercheteam, die Daten der einzelnen Interviewparnter aufzutreiben, was gar nicht leicht war, denn immerhin fanden am DSTT nicht nur 400 Premieren statt, sondern auch sogenannte „bunte Abende“. Das umfangreiche Projekt hat einen Gesamtwert von etwa 20.000 Euro. Zu den Unterstützern, die die Initiative mit Begeisterung sofort positiv aufgenommen haben, zählt auch das Deutsche Konsulat in Temeswar, das bereits die ersten Reisen ins deutschsprachige Ausland finanziert hat. „Wir haben weitere Zusagen von verschiedenen Wirtschaftsträgern bekommen“, sagt Astrid Weisz. Radio Temeswar hat zwei neue Aufnahmegeräte zur Verfügung gestellt, das Deutsche Staatstheater hat mit Logistik geholfen, die Reisegesellschaft „Passage“ half, die günstigsten Reisemöglichkeiten zu finden. Auch wenn das Projekt erst in zwei-drei Jahren komplett abgeschlossen sein wird, plant Astrid Weisz, bereits im November nächsten Jahres mit der Sendereihe zu beginnen.
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