Ende mit Schrecken?

Es gibt in der rumänischen Fernsehlandschaft kaum Sendungen, die es wert sind, nicht verpasst zu werden. Eine macht Catalin Stefanescu: „Garantat 100%“. Sie zu sehen zahlt sich aus, weil es eine Sendung ist auf hohem intellektuellen Niveau und weil der junge Moderator nicht nur gut vorbereitet in die Sendungen geht, sondern sich Gesprächspartner vom Feinsten aussucht und Musiker als Gäste hat, mit denen man sich überall sehen lassen kann.
Jüngst war Horia Roman Patapievici vom ICR, dem Rumänischen Kulturinstitut, bei Stefanescu zu Gast. Der Moderator verehrt den Direktor des ICR, einer der führenden Intellektuellen Rumäniens. Er ließ dem müde wirkenden Patapievici larmoyante Passagen durchgehen, als dieser sich beklagte, in der öffentlichen Meinung abgestempelt zu sein als „Intellektueller des Basescu“. Catalin Stefanescu signalisierte Solidarität mit Patapievici, vertiefte aber die Problematik keineswegs.
Fakt ist, dass durch die rumänische Intellektuellenlandschaft seit Basescus „Verurteilungsbericht des Kommunismus“ von 2006 und seit dem gescheiterten Susspendierungsversuch des Präsidenten (2007) ein tiefer Bruch geht. Es gibt „Basescus Intellektuelle“ und die Intellektuellen „Anti-Basescu“, die sich bekämpfen. Erst der jüngste und ziemlich perfide Ausfall des präsidialen Hobbyhistorikers gegen den Ex-König Rumäniens Mihai I lässt die Fronten wieder zerbröseln, obwohl manche der „Intellektuellen des Basescu“ schon früh ihre persönlichen Konsequenzen gezogen haben: Andrei Plesu hat nach knapp vier Monaten als Präsidialberater seinen Rücktritt eingereicht – ohne die Gründe öffentlich zu machen.
Dass sich die „Intellektuellen des Basescu“ so zurückhalten in der Ausübung der Hauptaufgabe der Intellektualität als kritisches Bewusstseins der Nation, das ist merkwürdig.
Kaum zu glauben, dass Spitzenintellektuelle Rumäniens seit 2006 in der ungebrochenen Illusion leben, einem braven Präsidenten zu dienen, dessen Großverdienst die (praktisch folgenlose) öffentliche Verdammung des Kommunismus war. Der selbe Präsident hat kommentarlos hingenommen, dass die ihm hörige Boc-Regierung Marius Oprea vom IICCMER-Institut geschaßt hat und das schleimende Tismaneanu-Team an dessen Stelle installierte. Er hat hingenommen, dass die Lustration der ehemaligen Aktivisten der KP endlos hinausgeschoben wurde, dass den Opfern des kommunistischen Terrors Gerechtigkeit in Maßen geschah, dass die Securitate-Offiziere unverhältnismäßig hohe Renten genießen und an den Hebeln der Wirtschaft sitzen. Nicht einmal Basescus Erklärung, dass Ceausescu ein guter Präsident gewesen wäre, wenn er sich auf zehn Jahre Herrschaft beschränkt hätte (läutet es leise irgendwo?), hat „Basescus Intellektuelle“ aufgeweckt. Oder die Tatsache, dass die Archive des Innenministeriums und die Dossiers der „Mineriaden“ und der revolution von 1989 verschlossen bleiben – also faktisch staatsanwältlichen Anklagen gegen Täter ausschließen – auch das hat „Basescus Intellektuelle“ nicht aufgeschreckt. Sie ziehen anscheinend einen Schrecken ohne Ende vor.
Werner Kremm
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